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„Völlig unverständlich! Sie gehören doch nach Essen!“

An diesem Samstag trafen sich auf dem Essener Kennedyplatz in der Zeltstadt „Arche Noah“ Menschen zum gegenseitigen Austausch, Kennenlernen und nicht zuletzt, um von den vielen Köstlichkeiten zu probieren, die hier angeboten wurden.

Bild: Anbringen der Texte und Bilder für unsere Ausstellung. Bild aufgenommen von Ahmad Omeirat am 22.09.2018 in Essen, CC-BY-SA.

Unser Team von Laisser-passer lud hier zu einer kleinen Ausstellung ein, in der wir den Fall der Familie Maqani mit Texten und Bildern vorstellten und zu der die Tonaufnahmen der Geschichten von Hasibe und Mohammed gespielt wurden. Zu Gesprächen regte zudem unser Quizz an, in dem wir beispielsweise auf Ermessensspielräume der Ausländerbehöre aufmerksam machten.

Viele der Gäste in unserem Zelt kannten die Geschichte der Familie Maqani aus der Presse. Alle zeigten sich bestürzt darüber, dass die Familie weiterhin in Ungewissheit lebt und darum kämpfen muss, in ihrer Heimat Essen bleiben zu können.

In den Gesprächen zeigte sich, dass einige Besucherinnen und Besucher unseres Zeltes mit Aufenthaltstiteln und der Duldung nicht vertraut sind. Eine Leiterin einer Kindertagesstätte in Essen zeigte sich hier sehr interessiert und hatte viele Fragen an uns, da ihre Kita an einem durch das Land finanzierten Projekt zur Reduzierung der Kinderarmut teilnehme. Im Rahmen dieses Projekts habe sie Gespräche mit Müttern geführt und es stellte sich heraus, dass einige Kinder und ihre Eltern eine Duldung und keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Daher seien für sie weitere Informationen zum Leben in Duldung und vor allem der Problematik der Kettenduldung sehr wichtig.

Anderen war bereits bekannt, dass es in Essen viele Menschen gibt, die mit einer Kettenduldung leben müssen. Eine ehemalige Lehrerin berichtete uns von Schülerinnen und Schülern, die geduldet seien. Sie wisse, was für eine Einschränkung und Stigmatisierung damit einhergehe. Diese Kinder stünden sehr unter Druck. Kinder derart zu belasten sei nicht richtig, sagte sie.

Eine Ordensschwester berichtete von geflüchteten Menschen, die sie ehrenamtlich begleite. Sie erzählte von schlechten Erfahrungen, die sie und andere mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Behörden und Ämtern gemacht hätten. Sie selbst habe jahrzehntelang in verschiedenen Ländern des afrikanischen Kontinents gelebt. Die Hilfe und die Gastfreundschaft, die sie dort erfahren hätte, wolle sie weitergeben.

Die Menschen, mit denen wir uns unterhalten haben, haben uns zudem vielfach versichert, wie wichtig es sei, an dem Thema Kettenduldung dran zu bleiben. Wir wurden als „Korrektiv in Essen beim Thema Duldung“ bezeichnet und haben viel Zuspruch erfahren.

Bild: Ein Quizz regte zu Nachfragen und einem Austausch zum Thema Bleiberecht und Duldung an. Bild aufgenommen von Anne Hemeda am 22.09.2018 in Essen, CC-BY-SA.

In vielen Gesprächen – sowohl mit unseren Gästen im Zelt als auch mit den Vertreterinnen und Vertretern anderer Initiativen – wurden wir außerdem auf die Razzien in der Nord-City angesprochen sowie auf das Essener Modell (Modellprojekt der Stadt Essen für junge Libanesinnen und Libanesen). Bei der Vorbereitung auf die Arche Noah hatten wir uns dazu entschieden, dass wir uns auf das Thema „Duldung“ konzentrieren, um unseren Stand nicht mit zwei weiteren komplexen Themen zu überfrachten. Vielleicht haben wir den Besucherinnen und Besuchern Unrecht getan und ihnen zu wenig zugemutet. Sicher ist, dass viele unserer Gäste insbesondere Ahmad und Ghassan fragten, ob sie die Razzien als Maßnahmen gezielt gegen Libanesinnen und Libanesen verstünden und wie sie die Berichterstattung dazu bewerten. Viele von ihnen kritisierten die Sippenhaft durch die Formulierung „Clan“ und „kriminelle Großfamilie“ und bezweifelten, ob eine Politik und Polizeistrategie der „tausend Nadelstiche“ tatsächlich zielführend sein könne. Einige äußerten aber auch ihre Angst, da offensichtlich die Polizei und Staatsgewalt hier machtlos sei.

Außerdem wurden wir um unsere Einschätzung gebeten, warum die Teilnahme am Essener Modellprojekt so gering ist und wie wir als Verein zu dem Projekt stehen. Wir haben uns zu diesem Thema zuvor mit Jugendlichen unterhalten, die zu der Zielgruppe des Projekts gehören. Auf unsere Frage, warum sie nicht daran teilnehmen, haben uns diese Jugendlichen vor allem ihr generelles Misstrauen gegenüber den städtischen Akteuren beschrieben. Auch seien die Voraussetzungen und Konsequenzen an der Teilnahme nicht klar. In vielen Fällen waren sich die Jugendlichen zudem unsicher, ob es nicht ganz andere rechtliche Möglichkeiten für sie gebe, einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Ob das Projekt sie auch dazu beraten würde, bezweifelten sie. Wir als Verein haben daher sehr viele Nachfragen zu dem Projekt.

Bild: Dialog und Austausch. Bild aufgenommen von Anne Hemeda am 22.09.2018 in Essen, CC-BY-SA.

Damit passte Laissez-passer in vielerlei Hinsicht zu dem diesjährigen Motto der Arche Noah „aufeinander zugehen – füreinander einstehen“ und „eine Stadt frei von Rassismus und Diskriminierung“. Das Arche-Noah Projekt des Initiativkreises Religionen in Essen und der Stadt Essen (Fachbereich Kommunales Integrationszentrum Essen) ist eine Plattform für die Begegnung und den Dialog der Menschen und soll u. a. Vorurteile abbauen. Wir danken den Organisatorinnen und Organisatoren für die Möglichkeit, unsere Arbeit in diesem Rahmen vorzustellen und in einen Dialog mit den Besucherinnen und Besuchern der Zeltstadt zu kommen.

Bild: Unsere Vorstellung des Falls der Familie Maqani. Bild aufgenommen von Anne Hemeda am 22.09.2018 in Essen, CC-BY-SA.

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